Schlaf + Traum

Schlaf + Traum

Ausstellung im Dresdner Hygiene-Museum Die Feststellung des Schlafmediziners Jürgen Zulley, dass „Frauen von bedrückenden Themen, nahestehenden Personen und privaten Bereichen“ träumen, während „Männer mit beruflichen Themen und Aggression beschäftigt sind“, reizt zum Widerspruch.

Jeder weiß es für sich besser. Schlaf ist eine Einzelzelle. Andererseits wird die innere Körperuhr durch Licht mit der Weltzeit – dem großen Ganzen – synchronisiert. Der Phänomenologe Edmund Husserl nannte den Tiefschlaf einen Limes, an dem das wache Ich seine Intentionen aufgibt. Descartes, der Rationalist, soll wiederum behauptet haben, ihm sei es durch Training gelungen, nur noch vernünftig zu träumen. Die Provokation besteht im Kontrollverlust, im freien Fall der Person: Schlaf + Traum spiegeln die menschliche Doppelexistenz zwischen Engel und Festplatte. „Bevor ich in den großen Schlaf sinke, will ich den Schrei des Schmetterlings hören“, dichtete Jim Morrison für sein Wiegenlied „When the music is over“. Exegeten fanden postum heraus, dass zur Zeit der Albumaufnahmen im Kino nebenan der Pornofilm „The Scream of the Butterfly“ lief. Für den REM-Zufallsgenerator – alles ist mit allem verbunden – spielt das keine Rolle: Wer ohne Publikumsansturm durch die Ausstellung geht, hört Atemgeräusche über Filmgesichtern alter Schläfer, deren Wangen von Kinderträumen überblendet werden. Dann Tango-Fetzen. „Isoldes Liebestod“. In der Tonstation zirpt Tartinis „Teufelssonate“, die der Gottseibeiuns dem Komponisten anno 1718 in einem Traumbesuch schenkte. Aus der Wiegenlied-Matratze sprießen Lalelu-Headphones. „Da draußen stehn zwei Schaf, ein schwarzes und ein weißes…“ Unter dem Schutzschild des Schlafs, sagt die Psychoanalytikerin Tamara Fischmann, geben wir uns in zusammengerollter Fötus-Position einer „Illusion der primären Erfahrung“ hin. So werde in der „ursprünglichen Verbindung zum Primärobjekt“ Reparaturarbeit geleistet. Alpträume indes seien vergebliche Traumversuche. Vergangenheitsbilder, die in eigene Geschichte nicht integriert werden können, übernehmen die Herrschaft. Nur weil das Primärobjekt abwesend war, hatte das Schreckliche geschehen können: Urvertrauen ist kollabiert. „Zusammenbruch des inneren Dialogs … Einsturz bei Nacht“. Der Himmel: ein explodierendes Uhrwerk. Da kommt das Schwarze und beißt mich. Hygiene-Museum Dresden. Bis 3. Oktober 2007 (Auszug aus einem Artikel von Thomas Lackmann in: Der Tagesspiegel 2.4.2007).